Warum Teddy-Geschichten natürlich auch super sein können!

Liebe Helene,
ich habe gestern unter dem Titel To Whom It May Concern einen Text darüber geschrieben, dass ich es wichtig finde, dass Geschichten, wenn sie als Vorlesegeschichten konzipiert sind, auch den Vorleser/inne/n (und ein bisschen auch den Autor/inne/n) Spaß machen sollen. Dabei habe ich, sehr unbedacht, ich weiß(!), das Genre der Verlorener-Teddy-Geschichten recht pauschal abgeurteilt. Und das haben Sie in ihrem Kommentar zu meinem Text auch – sehr zurückhaltend, weil sie sehr freundlich sind – kritisiert, indem Sie ein gutes Beispiel für eine sehr sinnvolle Teddygeschichte geschildert haben (Hier der Link zum Kommentar). Das ist ja auch mal eine wirklich COOLE Story! Solche Geschichten wollte ich mit meiner Einlassung auch auf keinen Fall „degradieren“, vor allem natürlich nicht, wenn die eigenen Eltern sie erfinden, um ihr Kind zu trösten oder ein Geschenk vorzubereiten!

Ich hatte eine ähnliche Situation vor zwei Jahren mit meiner Tochter Karla. Die hatte damals (tatsächlich) ihren Tiger verloren, so einen Stoffschlüsselanhänger-Tiger, den sie auch deshalb so innig liebte, weil sie in der Grundschule in die Tigerklasse ging. Karla war sehr verzweifelt, und wir Eltern auch. Es gab nämlich gerade keinen Ersatztiger zu kaufen. Dann aber, im Advent, bekam auch unsere Tochter eine Nachricht von ihrem Tiger, zusammen mit einem neuen Schlüsselanhänger in Form eines Engels. Der Brief ging so:

Meine liebe Karla,

ich hoffe nur, dass Dich diese Nachricht noch früh genug erreicht, bevor Du Dir allzu große Sorgen machst. Aber nun, da Du meinen Brief ja erhalten hast, kannst Du ganz beruhigt sein. Ach so, Du fragst Dich vielleicht gerade, wer Dir hier eigentlich schreibt. Na wer wohl: Dein Tiger natürlich! Hast Du mich etwa schon vermisst? Die Sache ist nämlich so: Ich war ziemlich viel unterwegs in den letzten Tagen und habe unglaublich viel erlebt. Und dabei habe ich ganz vergessen, Dir oder Deiner Familie Bescheid zu sagen, wo ich bin. Und ehrlich gesagt: So richtig weiß ich das auch gar nicht. Es hat alles damit angefangen, dass ich aus dem Auto gefallen bin, als Du und Bela bei Euren Großeltern angekommen seid. Tür auf, Kinder raus, Tiger lag in der Einfahrt. Aber natürlich nicht besonders lange, schließlich habe ich ja zwei Füße, zwei Augen und eine neugierige Nase. Und da habe ich eben angefangen, ein bisschen die Gegend zu erkunden. Als erstes war ich bei den Hühnern, drüben, bei den Nachbarn. Die kennen Dich übrigens, haben sie gesagt. Also, ich meine die Hühner. Und weil wir uns so nett unterhalten haben, haben wir total die Zeit vergessen und ich habe habe schließlich bei Ihnen im Stall geschlafen. War ja schon ziemlich kalt und dunkel draußen.

Am nächsten Morgen wollte ich natürlich sofort zurück zu Deinen Großeltern, aber da ist mir schon wieder was dazwischen bekommen. Auf der Hauptstraße fuhr nämlich gerade eine mächtig lange Fahrzeugkolonne entlang, als ich gerade durch die Schafweide zu Deinen Großeltern unterwegs war. Du wirst es nicht glauben: Das war ein fahrender Zirkus. Und aus einem großen LKW schauten tatsächlich die Hälse von zwei Giraffen heraus. Und da konnte ich einfach nicht anders, ich musste da irgendwie hin! Natürlich war ich viel zu langsam, um bis zur Hauptstraße zu laufen, bevor die Kolonne vorbeigefahren ist, aber die Hühner haben mir geholfen. Sie kennen nämlich eine nette Krähe, die direkt neben ihrem Stall in einer Eiche wohnt. Die haben sie gerufen. Und sie hat mich auf ihrem Rücken fliegen lassen. Da war sooo cool, echt! Die Krähe heißt übrigens Rasputin. Und Rasputin ist dann schnurstracks hinter dem Zirkuskonvoi hergeflogen. Und er war wirklich schnell, sage ich Dir. Da Problem war nur, dass wir nich nicht ganz bei den Zirkuswagen angekommen waren, als plötzlich ein schlimmer Regenschauer anfing und gleichzeitig ein richtiger Sturm aufkam. Und wir flogen gerade noch richtig weit oben im Himmel. Naja, es kam, wie es natürlich kommen musste. Rasputin konnte sich nicht mehr oben halten und wurde von einer Windböe in Richtung Boden gedrückt. Sturzflug, sage ich Dir, es sah wirklich nicht gut aus für uns. Und dann haben wir meinen neuen Freund getroffen: Balthasar. Das war ganz praktisch, weil Balthasar nämlich ein Schutzengel ist und uns gerettet hat. Naja, fast zumindest. Leider hat Rasputin sich beim Aufprall dann doch einen Flüge verstaucht, weil Balthasar nämlich noch ein Probeengel ist. Und wenn ein Probeengel gleich zwei Tiere auf einmal retten muss, dann kann schon mal was schief gehen. Ist ja auch nicht so wichtig.

Jedenfalls bin ich jetzt noch bei Rasputin geblieben, um ihn gesund zu pflegen und ich habe Balthasar zu Dir geschickt, um diesen Brief vorbeizubringen. Damit Du weißt, dass alles in Ordnung ist. Wir habe es uns unter einem Wachholderbusch gemütlich gemacht und bleiben hier, bis Rasputin wieder fliegen kann. Und dann, naja, dann würde ih ja gerne direkt zurück zu Dir kommen, aber ehrlich gesagt würde ich auch so gerne noch mal die Zirkuswagen wiederfinden, denen wir gefolgt sind, bevor der Sturm kam. Also, was ich fragen wollte: Wäre das in Ordnung, wenn ich erst noch nach dem Zirkus suche, bevor ich zurück zu Dir komme? ich will ja auch nicht für ewig wegbleiben, aber wenigstens ein paar Kunststücke würde ich gerne noch lernen. Jonglieren nämlich. Und eine Jungfrau zersägen. Und Messerwerfen, Seiltanzen, Pferdedressur, Löwenbändigen und natürlich Clown sein. Kann also noch ein klitzekleinesbisschen dauern, bis ich wieder da bin. Aber dann führe ich Dir auch was vor. Versprochen. Balthasar hat gesagt, er könne ja in der Zwischenzeit bei Dir bleiben, damit Du nicht so allein bist. Auch wenn Du natürlich in der Tigerklasse 1C bist, und nicht in der Schutzengelklasse 1C. Ist das trotzdem okay? Ich meine, ein Schutzengel kann auch sehr praktisch sein. Es passiert viel weniger. Naja, zumindest wenn er noch ein bisschen geübt hat. Also überfordere ihn nicht allzu sehr. Alles Liebe! Wir sehen uns ganz bald, Dein Tiger.

Den Tiger haben wir übrigens nach einem halben Jahr wiedergefunden. Er war keineswegs aus dem Auto gefallen, sondern lag in einem alten Karton oben auf dem Kleiderschrank. Keine Ahnung, wie er da hingekommen ist, er muss geflogen sein…

Kapitel 5: Der Club der Zähnefletscher

Am frühen morgen noch vor Sonnenaufgang folgen Beffaná und ihre Maus einem großen Hofhund zu einem äußerst merkwürdigen Treffen. Die Maus lernt, dass auch die härtesten Hunde manchmal einfach nur heulen wollen und dass Beffaná mehr als nur ein Gesicht hat.

To Whom It May Concern

Zwei Gruppen werden bei der Konzeption vieler Kindergeschichten sträflich vernachlässigt: Die Eltern (bzw. diejenigen, die eine Geschichte vorlesen und/oder ertragen müssen) und die Autorinnen bzw. Autoren.

Oh, eine Geschichte über einen kleinen Jungen, der seinen Lieblingsteddy verliert und auf der Suche nach ihm viel erlebt?!

(Ja, das ist für ein Kind spannend. I mean: Hello?! Kuscheltiere sind wichtig für Kinder und ihr Verlust mitunter kaum zu ertragen. Aber für Erwachsene?! Für Vorlesende und Schreibende? Wenn Ihr die Wahl habt: Wollt ihr sowas wirklich dringend vorlesen? Schreiben?)

Seien wir doch mal ehrlich: Es ist ehrbares Vorleseelternhandwerk, bestimmt auch Schriftsteller-Brot-und-Butter-Geschäft, so eine Teddysuche sauber abzuwickeln. Mehr ist es allerdings nicht.

Kindergeschichten dürfen meiner Meinung nach viele Referenzen und „Insider-Witze“ enthalten, die die meisten Kinder nicht verstehen. Das ist okay, das bedeutet nicht, dass ich als Geschichtenerfinder die Kinder nicht ernst nehme. Sondern nur, dass ich mir und den Eltern ein bisschen Spaß gönne. Oder den Eltern einfach was zum Nachdenken gebe.

Beffaná ist voller solcher Abspielungen. Und ich fürchte, es wird von Folge zu Folge schlimmer. Viel schlimmer. 🙃

Kapitel 4: Die Fütterung

Auf ihrem Weg zum nächsten Ziel werden die Hexe und ihre Maus von dichtem Nebel überrascht. Sie sind nicht die einzigen. Als mitten in den Wolken heisere Trompetenklänge ertönen, ahnt Beffaná, dass sie dringend helfen muss.

Kapitel 3: Der Schattenspielerbaum

Was für ein seltsamer Ort! Beffaná und ihre Küchenmaus landen mitten in der Nacht auf dem Parkplatz eines großen Einkaufszentrums. Hier treffen sie auf eine Gruppe theaterversessener Ratten und werden Zeugen eines ganz besonderen Schauspiels…

Die perfekte Länge

Wie lang sollte eigentlich die perfekte Kindergeschichte sein? Als ich anfing, Ideen für eine eigene Kindergeschichte zu sammeln, ging mir genau diese Frage lange nicht aus dem Kopf. Obwohl sie natürlich Quatsch ist. Was ist denn bitteschön die Benchmark? Die Aufmerksamkeitsspanne und das Auffassungsvermögen eines vierjährigen Kindes unterscheiden sich nun einmal deutlich von denjenigen eines neunjährigen. Über Unterschiede bei thematischen Interessen, zumutbarer Textschwierigkeit und Stilpräferenzen muss ich gar nicht erst anfangen zu schwadronieren. Es ist eben kompliziert!

Normalerweise ist das der Punkt, bei dem ich an einem Projekt zu zweifeln beginne. Meistens gebe ich kurze Zeit später auf. Es sei denn, es gibt eine wirklich einfache und unschlagbar plausible Lösung. Und es gibt sie tatsächlich! Man guckt sich einfach an, wie die richtig coolen Typen es gemacht haben. Ich also Bleistift und Stoppuhr rausgesucht, Das kleine Gespenst von Ottfried Preußler  aus dem Regal geholt und: Wörter gezählt, Vorlesezeit gestoppt, Satzlängen gemessen. Ich hatte zwar relativ genaue Vorstellungen zum sprachlichen Stil der Geschichte, aber diese Basics habe ich mir einfach abgeguckt.

Ich habe mir eine Formatvorlage erstellt und mich bei jedem Kapitel sklavisch an eine bestimmte  Zeichenzahl gehalten. Das kann anfangs ganz schön nerven, aber nach ein paar Kapiteln erleichtert es die Arbeit ungemein. Wenn ich zum Beispiel noch eine kleine Last-Minute-Idee für einen Text hatte, konnte ich mich immer fragen: Passt das – allein von der Zeichenzahl – noch rein? Und wenn nicht, bin ich bereit, etwas anderes für die neue Idee zu streichen? Man bekommt recht schnell ein ganz gutes Gefühl dafür, wie viel Handlung und wie viele Personen in ein Kapitel hineinpassen, wie lang die Exposition sein darf, und wie viel Zeit die Hexe und ihre Maus benötigen, um wieder aufzubrechen.

Ich glaube, dass es auch für die zuhörenden Kinder leichter ist, wenn eine Fortsetzungsgeschichte in den einzelnen Kapiteln immer einer ähnlichen narrativen Struktur folgt. Schließlich sind Kinder Gewohnheitstiere, sie lieben Routinen! Sie würden ja auch jeden Tag Spaghetti und Tomatensoße essen, wenn man sie ließe. Und genau wie ich beim Kochen immer wieder versuche, in die Tomatensauce heimlich etwas frisches Gemüse („Igitt, Knackies!“) hineinzupürieren, habe ich eben auch versucht, in die immer sehr ähnliche Struktur der Kapitel kleine Überraschungen hineinzuschmuggeln. Mal struktureller, mal inhaltlicher, mal stilistischer Natur.

Ach so, die Antwort auf die anfangs gestellte Frage lautet: 6.000 Zeichen inklusive Leerzeichen bzw. ca. 1.000 Wörter pro Kapitel. Das entspricht einer Vorlesezeit von 6-7 Minuten, bei normaler Sprechgeschwindigkeit (Die Hörgeschichten sind dann noch mal insgesamt rund 3 Minuten länger, weil noch anderthalb Minuten Titelmusik und anderthalb Minuten Ausgangsmusik dazu kommen).