Selbstdarstellung

Die gute Nachricht ist: Es ist fertig. Die Geschichte heißt Im Moor, es ist ein ca. 230 Seiten langes Manuskript geworden. Die, denen ich sie gezeigt habe, finden sie gut. Ich selbst habe kein Gefühl mehr für die Qualität. Ich lese mir Teile durch, finde sie furchtbar, lese andere Teile, finde sie gut, gehe zurück zum Anfang, halte ihn für banal. Aber wie ich Kai zuletzt schon geschrieben habe: Es ist die beste Geschichte, die ich zu schreiben in der Lage war. Es gab keinen Zeitdruck, keinen Erwartungsdruck, ich habe keinerlei Rücksichten nehmen müssen.  Jetzt ist es so wie es ist.

Die schlechte Nachricht ist: Das, was jetzt kommt, ist furchtbar. Ich suche einen Verlag für die Geschichte bzw. eine Agentur, die mit mir zusammen einen Verlag findet. Die publizierten Ablehnungsquoten, die alle Veröffentlichungen zum Thema kennzeichnende Mach-dir-bloß-keine-Hoffnung-Tonalität, das alles macht mich fertig. Meine Arme sind Gummi, das Tippen fällt mir schwer. Ich versuche professionell zu sein, ich habe Tage in das Erarbeiten des Verlags- bzw. Agentur-Exposés investiert, meine Vita aktualisiert, habe mir die maßgeblichen Websites zum Thema „Agentur bzw. Verlag finden“ angeschaut und sogar ein sauteures (und sehr gutes) Buch zum Thema besorgt und gelesen (Sandra Uschtrin und Heribert Hinrichs: Handbuch für Autorinnen und Autoren, 8. Aufl.).

Heute morgen habe ich nun Exposé, Manuskript und Vita an die erste Agentur geschickt. Und weil die Menschen dort Wert darauf legen, ein Manuskript exklusiv angeboten zu bekommen, warte ich erst einmal. Bin ich blöd? Bin ich ein Schaf, dass ich das Ding nicht gleich an mehrere Agenturen rausschicke? Kann sein.

Eins ist aber sicher: Wenn es niemanden gibt, der das Buch veröffentlichen will, wird es Advent 2017 keine neue Beffaná-Staffel geben, sondern eine Adventsgeschichte für Erwachsene mit dem Titel Im Moor.

Epilog

Gestern Abend konnte ich ein wichtiges Kapitel abschließen. Und es ist gar nicht mal so spät geworden! Um halb elf war schon Feierabend und vom Zaubertrank (Cola-O, siehe Foto) ist noch die Hälfte übrig..

Ab heute heißt es also Abschied nehmen. Es fehlen nur noch ein oder zwei Kapitel, deren Handlung ich zwar kenne, nicht aber ihren Aufbau und die genaue Perspektive. Es war ganz seltsam heute morgen, aber ich hatte überhaupt keine Eile, mit dem neuen Kapitel anzufangen. Es ist dieses Mal weder ein Imaginationsproblem (ich habe keine Ideen) noch ein klassisches Execution-Problem (ich kann die Ideen nicht auf Papier bringen). Es ist, als wolle ich das Buch gar nicht zu Ende bringen. Denn klar, es ist inzwischen ein Buch. Und auch klar: Irgendwie werde ich es veröffentlichen, und sei es im Selbstverlag.

Ich erinnere mich noch an die Endphase von Beffaná und vor allem ans Ende meiner Doktorarbeit. Bei der Doktorarbeit war es wirklich besonders. Ich hatte jahrelang gekämpft, um dieses Ding fertig zu bekommen. Und ich würde wirklich niemandem jemals empfehlen, so ein Ding zu schreiben, wenn man nicht wirklich ein großes Herz für wissenschaftliches Arbeiten besitzt. (Meins war eher so mittel groß.) Jedenfalls: Ich habe eben diesen Eintrag wiedergefunden, in dem ich über die letzten drei Seiten meiner Arbeit blogge. Und ich erinnere mich, dass es bereits etliche Monate vorher diesen Moment gab, in dem ich meinen Theorieteil abgeschlossen habe (Im fertigen Buch  war das um Seite 230 herum). In diesem Moment fügten sich die ganzen mühsam erarbeiteten Textteile, für die ich hunderte von Stunden in Bibliotheken verbracht hatte, tatsächlich zu einer sauberen Argumentationskette zusammen. Ich habe damals, es war garantiert 1 oder 2 Uhr nachts, an meinem mit Papierstapeln zugestellten Schreibtisch im KFN gesessen, hatte Tränen in den Augen und hab auf „Drucken“ geklickt. Und dann hab ich mir aus dem Kühlschrank in der Teeküche ein Bier geholt, Maceo Parker – People Get Ready angestellt  und mich so richtig gefreut.

Das will ich bald wieder haben. Heute Abend fange ich mit dem Anfang vom Ende meiner Geschichte an. 🙂

182

Es sind wieder ein paar Seiten mehr geworden. Maria findet das Ergebnis bisher gut, das freut mich.

Total!“ 🙂

Aber der Plot rast gerade dahin. Es werden keine 70 weiteren Seiten mehr um die Geschichte zu Ende zu erzählen. Vielleicht 20, 30 Seiten noch. Eigentlich sehr dämlich, den Fortschritt einer Geschichte in Seiten zu beschrieben. Aber über Plot und Charaktere will ich noch nicht viel schreiben. Und Seiten, Zeilen, Wörter zählen baut mich nun mal auf. Es ist einfach das sichtbare Ergebnis einer seltsamen Arbeit, die vor allem im Kopf passiert. Und manchmal ist es eben, auch wenn das ein banales Klischee ist, ein Kampf mit den eigenen Dämonen.

Heute bin ich jedenfalls froh. Auch weil ich immer mehr sehe, dass meine mir selbst gesetzte Vorgabe, eine Seite am Tag, genau richtig gewählt ist. An den schlechtesten Tagen schaffe  ich sie gerade so. Und an guten Tage, so wie heute, schaffe ich auch drei oder vier Seiten.

Und jetzt: Kopfhörer auf, in die Abendsonne und 10 Kilometer laufen 🙂

150. But…

Es liegt noch ein dicker Batzen konzeptioneller Arbeit vor mir. Ich hab zwar eine vage Idee über weiteren Verlauf und Ende, aber leider reicht das nicht (mehr). Neun bis zehn Kapitel noch, rund 100 Seiten. Das Schreiben selbst fühlt sich momentan wie Luxus an. Die dramaturgischen Entscheidungen sind dagegen echt hart. #firstworldproblems

Das Porno-Uschi-Problem

„Uschi’s VHS-Zentrale“ war die mit Abstand härteste Tür der Stadt. Bereits drei Tage, nachdem Klaus Beiderbeck seine Enduro und sich selbst gegen eine Leitplanke im Kalletal gesetzt hatte, machte seine Frau Ursula den Laden wieder auf. Am Schild über der Tür wurde der Name des Verstorbenen provisorisch überklebt, was von meinem Vater, der an der Realschule Deutsch und Sport unterrichtete, zunächst als Schritt in die richtige Richtung gewertet wurde. Er hatte zu dem alten Schild – „Klaus’s VHS-Zentrale“ – sogar mal einen Leserbrief an beide lokalen Zeitungen geschrieben. Leider wurden beide Briefe ungekürzt veröffentlicht und ich wurde in der Woche darauf dreimal auf dem Pausenhof verprügelt. Aus dem von meinem Vater scharf kritisierten Doppeldeppenapostroph hatte Uschi nun einen einfachen Deppenapostroph gemacht und fügte sich damit makellos ins Stadtbild zwischen „Lennie’s Lottoladen“ und „Bei Chez Heinz’s“ ein.

Leider war die Sache mit dem Namen nicht die einzige Änderung. Zu Klaus’ Zeiten lagen die Pornos direkt bei ihm unter dem Tresen. Das notwendige Beratungsgespräch war meistens detailliert und kenntnisreich und auch 14-Jährige wie ich wurden als Kunden zuvorkommend bedient. Wenn man mit der „Zwingenden Empfehlung des Hauses“, die Klaus stets sorgfältig in einer Alditüte verpackt hatte, das Geschäft verlassen wollte, rief er uns stets den gleichen Satz zu:

„Du weißt ja: Ein Wort zu deinen Eltern, und ich schneide dir den Pimmel ab. Mit meinem Holzlineal!“

Uschi machte den Laden an einem Mittwoch wieder auf. Am Samstag und am Sonntag blieb die „Zentrale“ noch mal ganztägig geschlossen, wegen der Beerdigung. Und am Montag gab es keine Pornos mehr hinter der Theke.

Alexander hatte sich am Montagabend ein Herz gefasst, hatte Uschi herzliches Beileid auch im Namen seiner Eltern gewünscht und dann gefragt, ob „Blame it on Ginger“ mit Ginger Lynn zufällig gerade verfügbar war. Uschi hatte „Ja“ gesagt und auf den neuen roten Vorhang hinten an der Wand gezeigt.

„Und in 3 Jahren und 8 Monaten, wenn du 18 bist, darfst du da rein und ihn dir ausleihen.“ Dann hatte sie sich eine Zigarette angesteckt und ein kurzes Telefongespräch mit Alexanders Mutter geführt.

Die Sache sprach sich rum. Nur nicht bis zu Ulf. Auch seine Eltern hatten eine Woche später abends eine Nachricht von Uschi auf ihrem nagelneuen Anrufbeantworter, und Ulfs Schwester Anke brachte die Kassette direkt am nächsten Tag zusammen mit ihrem neuen Walkman mit zur Schule. Ulfs Eltern hatten ein paar Monate zuvor viel Geld gewonnen und fleißig in technische Gerätschaften für sich und ihre Kinder investiert.

„Ja, Beiderbeck am Apparat“, sagte Uschi auf dem Band. „Folgendes: Euer Ulf war gerade hier um sich Dirty Letters auszuleihen.“ Sie machte eine kurze Pause und es klang, als würde sie einen tiefen Zug aus ihrer Lord Extra nehmen. „Ich hab gerade mal in die Kartei geschaut. Klaus war da ja immer ein bisschen hinterher mit dem Ein- und Austragen. Aber wenn das stimmt, was ich hier sehe, habt ihr Dirty Letters noch bei Euch zu Hause. Jürgen, schau doch mal bitte nach und sag Bescheid. Du hast den ja schon ein Weilchen und ich würd ihn dir wohl auch verkaufen, wenn du ihn so magst. Ihr habt das Geld jetzt ja, sagt Lennie. Tschüss.“

Uschi Beiderbeck hatte vor dem Unfall in der Buchführung bei „Mohrmann’s Blitzreinigung“ in der Kreisstadt gearbeitet und sich bis dahin nie besonders um das gekümmert, was in der „Zentrale“ vor sich ging. Denn nach der Arbeit passte sie auf ihre Tochter auf. Jetzt aber wurde sie zum ernstzunehmenden Problem. Es war ein neuer Sheriff in der Stadt, der leider auch die einzige Quelle für neuen Stoff war.

Wir trafen uns bei Daniel im Keller, um die Sache zu beraten. Zu meiner Überraschung war auch Daniels Vater da.

„Ist schon okay“, sagte er. „Die Sache geht uns alle an.“

Es war sogar ganz hilfreich, dass er mit im Boot war, denn er konnte uns ein bisschen mehr zu Uschis Vergangenheit erzählen. Klaus und Uschi Beiderbeck hatten sich in einer Kneipe kennengerlernt, wo Uschi abends ausgeholfen hatte. Klaus kam fast jeden Abend und spielte Dart. Er war der beste Spieler weit und breit und als Uschi sich sein Spiel ein paar Wochen lang angeguckt hatte, ging sie zu ihm hin, spendierte ihm eine Bacardi Cola und sagte:

„Du musst nach England gehen und Profi werden. Ich kann dir dabei helfen und wir machen Halbe-Halbe.“

Uschi hatte einen englischen Pass, weil ihr Vater ein Tommy-Soldat aus der Hunnebrocker Kaserne war. Die beiden gingen für zehn Jahre nach England und kamen verheiratet, mit einer kleinen Tochter, ein bisschen Geld und einer neuen Geschäftsidee zurück: Eine eigene Videothek. Weil das Geld am Anfang etwas knapp war, fing Uschi halbtags bei „Mohrmann’s“ an und war zu Hause, wenn ihre Tochter aus der Schule kam. Ihre Tochter heiß ebenfalls Ursula und natürlich nannten sie alle Uschi, genau wie ihre Mutter. Um sie zu unterscheiden, heiß die Tochter intern meistens „Uschi K.“, denn ihr zweiter Name war Kleopatra. Angeblich war „Kleopatra’s“ der Name der Spielhalle, in der Klaus sein wichtigstes Turnier in England gewonnen hatte und in dieser Nacht war Uschi K. auch gezeugt worden. Ich fragte mich zwar, woher Daniels Vater das wusste, aber er sagte nur, er habe seine Quellen.

Wir berieten drei Stunden lang. Die Grundidee war klar: Wir mussten Uschi dazu bringen, zum alten Geschäftsmodell zurückzukehren, das auf Diskretion und sachkundiger Beratung fußte. Ein paar Minuten lang wurde unter den Anwesenden heftig darüber diskutiert, ob dies von einer Frau überhaupt zu leisten war und ob wir uns als Kunden in einer so kniffeligen Angelegenheit überhaupt einer weiblichen Fachkraft anvertrauen wollten. Aber Daniels Vater wischte dieses Argument sehr schnell vom Tisch:

„Wir leben in den 1980er-Jahren, meine Herren! Gerade ihr als die junge Generation müsst alte Vorurteile überwinden und euch auch neuen Ideen öffnen. Ich bin zutiefst davon überzeugt , dass es hervorragende Frauen in diesem Land gibt, die uns Pornos leihen können.“

„Kann schon sein“, sagte Ulf. „Aber es geht ja nicht um irgendwelche Frauen. Das Problem heißt Uschi, und die ist schneller mit der Hand am Hörer, als man überhaupt „Schweigepflicht“ sagen kann.“

„Ich glaube, Videothekare haben keine Schweigepflicht“, sagte Alexander. „Und für Videothekarinnen gilt wohl das gleiche.“

„Es gibt nur eine Möglichkeit“, sagte Daniels Vater. „Wir müssen sie mit Argumenten überzeugen.“

„Schließt ‚Überzeugen’ auch Erpressen mit ein?“ fragte Sebastian. Für ihn war die ganze Angelegenheit eigentlich unwichtig, denn er lieh sich nie was aus. Manche sagten, dass er schwul war, doch keiner traute sich zu fragen, denn er war der beste Innenverteidiger beim TuS Hunnebrock und überhaupt nicht zimperlich.

„Erpressung, was?“, sagte Daniels Vater. „Jetzt reden wir wie Männer. Was genau weißt du?“

„Klaus Beiderbeck war nicht nur uns allen ein zuverlässiger Lieferant, sondern auch seiner eigenen Tochter. Uschi K. ist ja erst 17, und sie hat eben auch ‚spezielle Bedürfnisse’, von denen Mami vielleicht nicht unbedingt was wissen muss.“

„Ach echt? Ist ja witzig!“ rief Daniel. „Und warum weißt du dann davon.“

„Weil ich mich oft mit Klaus darüber unterhalten habe. Er brauchte da ein bisschen… Hintergrund, weil er sich Sorgen um seine Tochter machte, auch wenn er das ja eigentlich voll okay fand.“

„Ich steh gerade auf dem Schlauch“, sagte Daniels Vater. „Ist sie, bist du, also ihr beide…?“

„Homosexuell“, sagte Sebastian. „Und Uschi K. auch, ja. Klaus hat erst nicht verstanden, wofür sie eigentlich spezielle Filme will, weil, mal unter uns Leute, Lesben gibt’s in Pornos ja wie… wie… Muscheln im Ozean.“

„Ja eben!“ rief Ulf. „Was ist deren Problem, verdammt? Warum muss ausgerechnet Uschi K. denn schwul sein, die alte Scheiße?! Fuck.“

„Wahrscheinlich sind das keine echten Lesben in den Filmen und echte Lesben merken das irgendwie“, sagte Alexander. „Vielleicht gucken die anders oder so.“

„Okay“, sagte Daniel. „Wir haben vielleicht was gegen Uschi K. in der Hand. Aber wie hilft uns das bei ihrer Mutter weiter?“

„Gar nicht“, sagte Sebastian. „Und das ist auch total Schnuppe. Weil Uschi K. einen Haustürschlüssel und damit Zugang zum Laden hat! Sie kann uns die Filme einfach besorgen.“

Wir diskutierten noch eine Weile über diese Idee und noch ein paar andere. Zum Beispiel schlug irgendwann Alexander vor, dass Daniels Vater als Erwachsener ja auch eine eigene Videothek aufmachen konnte. Denn Architekt sei schließlich auch nicht so der Traumberuf, wenn man nur Reihenhäuser und Lagerhallen für Küchenmöbelfarbiken entwarf. Potentielle Kunden für eine gut geführte Videothek gäbe es schließlich genug. Aber Daniels Vater war nicht überzeugt. Also kamen wir schließlich auf die Sache mit der Erpressung zurück. Doch wer sollte mit Uschi K. Kontakt aufnehmen? Es war ziemlich schnell klar, dass es Blödsinn war, die Sache anonym zu regeln. Es würden ständig Übergaben von Kassetten organisiert werden müssen und es war ja auch völlig okay, wenn Uschi K. wusste, mit wem sie es zu tun hatte. Wir wollten sie ja schließlich nicht ermorden, sondern nur einfach nur in Ruhe unsere Pornos gucken.

Also zogen wir Streichhölzer. Die erste Wahl fiel auf Daniels Vater, aber er brachte das Argument, dass er als Erwachsener voll strafmündig war und auch beruflich ziemliche Probleme kriegen könnte, falls die Sache aufflog. Schließlich brauchten nächstes Jahr der kirchliche Kindergarten und das Gemeindehaus einen Anbau und diesen Job wollte er unbedingt haben. Also zogen wir nochmal. Und natürlich fiel die Wahl auf mich. Mir fehlte leider die Phantasie, um eine ähnlich gute Ausrede wie Daniels Vater zu finden, und ich willigte ein. Die Sache zog sich ein bisschen hin, weil ich in der folgenden Woche viel zu tun und außerdem auch ganz schön Bammel vor dem Gespräch mit Uschi K. hatte. Aber nachdem mich heute auf dem Nachhauseweg sowohl Ulf, als auch Daniel, als auch sein Vater so vorwurfsvoll angeschaut hatten, fasste ich mir ein Herz. Ich schaute nach, ob Uschi Senior auch wirklich gerade in der Videothek bediente und klingelte dann an der Haustür in ihrer Wohnung. Statt des Türsummers hörte ich kurz darauf Schritte auf der Treppe und Uschi K. öffente die Haustür.

„Ja, was willst du?“ sagte sie.

„Ich wollte mit dir sprechen“, sagte ich.

„Beeil dich, ich bin gerade auf dem Sprung.“

„Es ist eine Privatangelegenheit. Ich würde das ungern hier an der Tür erörtern.“, sagte ich.

„Dann erörter das mal schön alleine“, sagte sie. „Ich muss weg und voher noch zu Mama in den Laden. Tschüss.“

Ach, scheiß drauf, dachte ich. Wer wusste schon, wann ich das nächste Mal die Gelegenheit bekam, mit ihr zu sprechen.

“Es geht um die Filme“, sagte ich.

„Die Filme?“

„Ja, wir wollen unsere Pornos wiederhaben. Und wir wissen, dass du eine Lesbe bist.“

Das war jetzt insgesamt etwas weniger elegant formuliert gewesen, als ich mir das vorher ausgedacht hatte, aber gut.

„Bitte?!“

„Die Sache läuft so“, sagte ich. „Du besorgst uns unsere Filme, klar? Keine Fragen. Keine Anrufe bei unseren Eltern“. Ich dachte an Daniels Vater. „Oder unseren Frauen. Oder der Kirchengemeinde wegen des Anbaus. Ist das klar? Und wir sagen deiner Mutter nicht, dass du auf echte Lesbenfime stehst. Wo die Frauen nicht so komisch gucken.“

Uschi K. war sprachlos. Offensichtlich musste sie nachdenken.

„Deal?“ fragte ich nach einer Weile. „Komm schon! Ulf, Alex, Daniel und sein Vater nerven mich total, weil ich bisher noch nicht mit dir geredet habe. Ist ja auch ein bisschen peinlich, über sowas zu sprechen, oder? Ich meine, du kennst das ja bestimmt, so als Undercover-Lesbe hat man’s ja bestimmt auch nicht immer leicht.“

Uschi K. wandte sich von mir ab. Dann rief sie in den Flur, der nach hinten in die Videothek führte:

„Mama, kommst du mal? Hier ist so ein Hosenscheißer. Und der hat ein Problem damit, dass ich auf Frauen stehe. Vielleicht sollten wir mal bei seinen Eltern anrufen!“

Sie packte mich blitzschnell am Arm. Ihr Griff war fest und ihre Fingernägel bohrten sich in meinem Unterarm. Dann sah ich ihren irritierten Blick. Ich hab gerade nochmal überlegt, aber auch glaube, das war bis jetzt wirklich das einzige Mal, dass ich dankbar für meine Unterarmprothese war. Die Dinger können ja schon sehr nervig sein. Gerade im Sommer, wenn es warm ist, und es juckt, und man eigentlich gern ins Schwimmbad gehen würde, um den Damen beim Sonnenbaden zuzugucken. Jedenfalls starrte Uschi K. noch immer entsetzt auf die Prothese in ihrer Hand, als ich schon die Straße herunter lief.

Jetzt ist es schon halb zehn Uhr abends und es wird langsam kalt in meinem Versteck im Wald. Ich würde wirklich gern nach Hause gehen. Aber traue mich nicht. Denn ich werde von Porno-Uschis verfolgt.