Beffaná (St. 5, Kap. 1): Zwei-Zettel-Dienstag

Am Dienstag ist es immer spät. Am Dienstag dauert die Schule ewig. Die Busse fahren nie nach Plan, und wenn der erste einmal pünktlich ist, dann wartet sie stundenlang auf den zweiten. Oder der erste ist verspätet und der zweite ist schon weg. Und heute war auch noch die Bushaltestelle verlegt und es hat geregnet. Eisig kalt geregnet und an der Ersatzhaltestelle gab es keine Überdachung. Manchmal glaubt Beffaná, dass der Regen extra wartet, bis sie draußen ist und weit und breit kein Unterstand. Und dann, dann legt er los. So richtig. Manchmal bekommt der Regen eine gesalzene Standpauke von ihr zu hören. Egal, was die anderen Leute neben ihr auf der Straße sagen. Dann stellt sie sich breitbeinig auf den Bürgersteig, stemmt die Hände in die Hüften, schaut nach oben und brüllt den Regen an:
„Ey, Regen!“ brüllt sie. „Spiel doch mal mit jemand anderem. Ich find das langsam nicht mehr lustig.“
Das ist allerdings ein klitzekleinesbisschen gelogen. Denn obwohl der Regen kalt ist und die Sachen an ihr kleben, mag Beffaná es irgendwie, wenn ihr die Tropfen über das Gesicht rinnen. Trotzdem: Soll der Regen jetzt woanders spielen gehen. Oder bis zum Frühling warten. Heute ist es kalt. Und fast schon dunkel. So lange hat der Schultag gedauert. Und Beffaná will endlich nach Hause. Trockene Sachen anziehen. In der Küche sitzen. Die leicht verbrannten Kekse ihres Vaters futtern und in die erste Kerze auf dem Adventskranz starren. Bis spät in Abend. Und am besten ihren kleinen Bruder nicht ertragen müssen.

Doch zu allererst kommt es an diesem Dienstag noch schlimmer als bloß kalter Regen. Denn als sie im Treppenhaus steht, sieht sie das Schild. „Der Fahrstuhl ist defekt!“. Potzblitz! Acht Stockwerke die Treppe laufen, mit nassen Stiefeln und einer Schultasche so schwer wie Madagaskar. Beffana weißt zwar nicht, wie schwer Madagaskar ist, aber sie weiß, dass Madagaskar eine riesengroße Insel ist. Die wird schon ein paar Kilo auf die Waage bringen, denkt sie. Heute im Bus war M dran. Beffaná lernt Länder, Städte und Flüsse auswendig. Für Stadt, Land, Fluss. Damit sie ihren Vater endlich einmal schlägt. Denn der kennt alle Länder, irgendwie. Und Flüsse. Und Städte. Himmel, er kennt Städte, die kann es gar nicht geben. Gibt es aber. Jedesmal, wenn sie später heimlich im Atlas nachschaut, findet sie sie. Darum lernt sie seit Wochen wie verrückt. In der Pause und im Bus. Heute waren es Länder mit M. Macao, Madagaskar, Malaysia, Malediven, Malta, Marokko, Martinique, Mauretanien. Nie im Leben kennt ihr Vater Martinique. Niemand kennt Martinique. Das sind mindestens 10 Punkte! Aber erst mal Treppen steigen. Erstes Stockwerk. Beffaná sieht, dass sie eine nasse Spur auf der Treppe hinterlässt. Zweiter Stock. Die nasse Spur wird gar nicht kleiner, so nass ist Beffaná geworden. Dritter Stock. Hauptsache die Alte aus dem Vierten kommt nicht raus und sieht die nasse Spur. Dann gibt’s Gemecker. Wie bei einer Ziege, nur viel ziegigier. Und meckriger. Und lauter. Und…
„Bleib steh’n!“
Und überraschender! Hat sie sich hinter ihrer Tür versteckt? Hat sie auf Beffaná gewartet?
„Komm herein!“
Beffaná zuckt zusammen. Sie war noch nie da drinnen. In der Wohnung von Frau Schniggenfittich. Beffaná hat fast vor nichts Angst. Aber vor Frau Schniggenfittich schon. Die ist ihr schon immer unheimlich gewesen. Obwohl ihr Vater sagt, dass sie okay ist.
„Beffaná!“
„Ich muss wirklich schnell nach oben zu…“
Doch Frau Schniggenfittich hat sie bereits am klatschnassen Arm ihrer Jacke gepackt und zieht sie in die Wohnung.
Drinnen riecht es seltsam. Gar nicht Alte-Leute-Seltsam, sondern Buchladen-Seltsam. Alte-Leute-Seltsam, das ist mehr Kohl und nasse Handtücher. Buchladen-Seltsam ist eben Buchladen-Seltsam. Altes Papier und Einsamkeit. Beffaná hat kaum Zeit sich umzuschauen, da hat sie bereits die Hand der Alten vor dem Gesicht.
„Lass das mal besser nicht die Herren oben finden, besonders nicht den kleinen Quälgeist.“
In Frau Schniggenfittichs Hand flattert ein Zettel. Beffaná erkennt ihn auf der Stelle. „Aber wie…?“
„Waschkeller.“ sagt die Alte. „Ist bestimmt aus deiner Hosentasche gefallen und dein Hans-Guck-in-die-Luft-Vater hat es nicht bemerkt.“
Der Zettel ist von Joshua. „Liebe Beffaná, willst Du mit mir ins Kino? Joshua“ steht da drauf. Stand da drauf, wie Beffaná jetzt erschrocken feststellt. Der Zettel hat ganz offensichtlich eine Wäsche nur halb überstanden. Jetzt erkennt sie nur nur noch „Liebe“ und „Joshua“.
„Aber woher wussten Sie, dass das meiner ist?“
„Hier im Haus gibt’s nur eine, die Joshua-Zettel bekommt, hab ich nicht Recht?“
„Danke sehr, Frau Schniggenfittich…“
„Du bist nass. Du tropfst die Wohnung voll.“
„Tut mir leid. Es regnet draußen.“
„Du sprichst in Rätseln, kleine Beffaná.“
Das ist das Schlimmste. Wenn die Leute ‚kleine Beffaná‘ zu ihr sagen.
„Ich bin nicht klein.“
„Oh doch, das bist du, Liebchen. Klein und ahnungslos. Verschwinde jetzt.“
Und wusch! ist die Alte irgendwo in den Tiefen ihrer Wohnung verschwunden. Beffaná wartet. Wo ist sie wohl hingegangen? Endlich hat sie Zeit, sich umzuschauen. Sie steht in einem fensterlosen, schlauchigen Flur, von dem rechts und links Türen in andere Zimmer führen. Direkt neben Beffaná steht eine niedrige Kommode, über der ein paar alte, verblichene Fotos hängen. Ob Frau Schniggenfittich Kinder hat? Das junge Paar auf dem Foto, rechts und links von einer mittelalten Frau, das könnten ihre Kinder sein. Denn das in der Mitte, erkennt Beffaná sofort, das ist die Alte. Nur in jünger. Aber irgendetwas lässt sie stutzen. Komisch. Nur, was ist es? Beffanás Blick schweift über die Kommode.
„Tropf nicht alles voll und mach die Tür hinter dir zu!“ tönt es aus einem der Zimmer am Ende des Flures. Beffaná dreht sich zum Ausgang. Doch gerade, als sie gehen will, bleibt ihr Blick an einem Buch hängen, dass ganz am Rand der Kommode liegt. Der Titel lautet „Kaitus, der Zauberer“ und unten am Buchdeckel klebt ein sehr alter, blassgelber Post-it-Zettel mit vier Buchstaben darauf. „ANIL“. Beffaná erstarrt. Das kann nicht sein!
„Muss ich erst kommen und dir Beine machen?“
Aus dem Zimmer am Ende des Flures schlurfen Schritte heran. Für eine Sekunde lang dreht sich die ganze Welt um Beffaná herum, nichts steht an seinem Platz. Dann kommt sie zur Besinnung. Ohne weiteres Zögern greift sie nach dem Buch und rennt aus der Wohnung. Fünfter, sechster Stock. Hinter sich hört Beffaná die Stimme von Frau Schniggenfittich. Doch sie schreit nicht und sie schimpft und meckert nicht.
„Nimm dich bloß in Acht!“ ruft sie und dann fällt unten im vierten Stock die Tür ins Schloss.
Erst oben im achten, vor ihrer Wohnungstür bleibt Beffaná stehen. „ANIL“, das kann kein Zufall sein. Anil ist der Name ihres Vaters. Und Beffaná kennt niemanden sonst, der Anil heißt. Trotzdem hat sie etwas Verbotenes getan. Sie hat etwas gestohlen. Und die Alte hat es bestimmt bemerkt. Das hat sie doch gemeint mit „Nimm dich bloß in Acht!“. Beffaná beschließt, Dienstage noch ein bisschen weniger zu mögen, als eh schon. Und gerade, als sie die Wohnungstür aufschließt, da fällt es ihr ein. Das war es. Das auf dem Foto, das waren nicht die Kinder von Frau Schniggenfittich! Der junge Mann, da ist sie sich jetzt sicher. war ihr Vater. Und in Beffaná kriecht eine Ahnung hoch, wer die junge Frau gewesen sein muss. Potzblitz!

Staffel 5: Beffaná begins – Intro

Hi, Matthias hier. Ich bin der Typ, der sich die Geschichten von der Weihnachtshexe Beffana ausgedacht hat. Na ja. Nicht alle. Die dritte Staffel über die Weihnachtshexe Beffana, also die Geschichten vor zwei Jahren, die hat meine Familie erfunden und ich hab nur geholfen sie einzulesen und ins Internet hochzuladen. Und sie sind ganz toll geworden. Falls Du sie noch nicht kennst, musst Du sie Dir ganz dringend anhören. Und die Geschichten der zwei Staffeln davor natürlich auch.

Beffana ist, soviel für alle, die sie noch gar nicht kennen, Beffana ist eine Weihnachtshexe, die zu Weihnachten herumfliegt und Geschenke an alle verteilt, die sonst keine Geschenke bekommen. Und dabei erlebt sie so viele Abenteuer, dass sie es natürlich nie schafft, alle Geschenke zu verteilen und ein Jahr später fliegt sie wieder los, auf ihrem Besen, mit einem riesengroßen Geschenkesack auf der Schulter. Und sie findet jedes Jahr neue Freunde, die ihr dabei helfen, noch mehr Geschenke zu verteilen, damit auch niemand vergessen wird.

Im letzten Jahr gab’s statt Beffana-Geschichten ganz viele Lieder aus dem Liederbuch der Weihnachtshexe. Denn da hatte ich plötzlich Lust auf’s Reimen und Musik machen. Das ist ja das tolle, wenn man sich selbst Geschichten ausdenkt: Man kann einfach das machen, was man möchte. Du musst nicht gespannt warten, bis endlich das nächste Buch von Deiner Lieblingsgeschichtenreihe herauskommt. Oder die nächste Hörgeschichte. Und jetzt stell Dir mal vor, die Erfinderin Deiner Lieblingsgeschichte hat plötzlich keine Lust mehr, weiter zu schreiben und das Buch mit der großen Auflösung der Geschichte erscheint einfach nicht. Da ist es viel besser. wenn Du Dir alles einfach selbst ausdenkst. Und soll ich Dir mal was verraten: Selbst ausdenken ist sogar genau so spannend wie nur hören oder lesen. Du wachst morgens auf und hast keine Ahnung, wie es heute weitergeht. Und abends gehst du glücklich ins Bett, weil Du es endlich weißt. Weil Du es Dir selbst ausgedacht hast.

Das ist überhaupt das zweitcoolste an dieser ganzen Sache. Und das allertollste ist, wenn Du die Geschichte vorliest und als Podcast ins Internet stellst und Du bekommst dann Nachrichten von anderen, die sich die Geschichte angehört haben. Sie schreiben, was sie an den Geschichten toll finden, und was sie sich wünschen, wie es weitergeht und welche Figur sie am liebsten mögen und dass sie sich die Geschichten immer schon morgens vor der Schule anhören. Oder abends, mit der ganzen Familie. Oder beim Hausaufgaben machen. Oder alle hintereinander am zweiten Weihnachtsfeiertag. Das ist oberknorke, finde ich.

Dieses Jahr läuft die Sache wieder ganz traditionell: An jedem Dezembertag des Jahres 2020 gibt es bis Weihnachten eine neue Geschichte über die Weihnachtshexe Beffana, über ihre Freunde und die Monster, die sie trifft. Ich weiß nicht, wie’s Dir geht, aber ich freu mich schon total auf die Adventszeit. Ich würd Dir gerne schon ein wenig mehr darüber verraten, worum es in den nächsten 24 Folgen der Weihnachtshexe Beffana geht. Aber erstens wär das ja ein bisschen spielverderbermäßig. Und zweitens weiß ich’s selbst auch noch nicht. Denn bei mir ist das so: Wenn’s im Dezember abends dunkel wird, wenn draußen der Wind heult, wenn alle zuhause sitzen, auf den Adventskranz starren und sich auf Weihnachten freuen, dann mach ich’s mir vor meinem Computer gemütlich, trinke viel zu viel Tee und Cola und denke mir Geschichten über die Weihnachtshexe Beffana aus. Das ist, wenn Du mich fragst, die schönste Art, die vier Adventswochen zu verbringen. Ach so, eine Sache kann ich Dir doch schon verraten: Die neue Beffana-Staffel heißt „Beffana Begins“. Es geht also darum, wie die Weihnachtshexe Beffana eigentlich zu dem geworden, was sie heute ist: Die berühmteste Weihnachtshexe der Welt mit den besten Freundinnen und Freunden der Welt. Ich glaube, das könnte eine ziemlich interessante Geschichte werden. Lassen wir uns doch einfach mal überraschen, findest Du nicht? Toll, dass Du da bist und jetzt ganz viel Spaß mit der fünften Staffel der Weihnachtshexe Beffana. Ab Dienstag, dem 1. Dezember geht es los. Pünktlich um Mitternacht. Potzblitz!

Staffel 4 – Kapitel 25 – SPEZIAL: Schneemannlieder

Einen guten Rutsch ins Jahr 2020 wünscht der Beffaná-Podcast! Heute mit einer Spezialsendung, in der die Schneemannlieder vorgestellt werden, die zwei Fans des Beffaná-Podcasts selbst geschrieben und eingesungen haben. Viel Spaß!

Staffel 4 – Kapitel 24: Alle Jahre wieder

Das Beste kommt natürlich zum Schluss, liebe Beffaná-Fans. Allen Hörenden dieses Podcasts Frohe Weihnachten!

Staffel 4 – Kapitel 23: Stadtmusikanten

Was geschieht eigentlich, wenn Monster kein Fleisch mehr essen können, weil die Tiere keine Lust mehr haben? Von genau dieser Situation erzählt der vorletzte Song der 4. Staffel des Beffaná-Podcasts.

In dieser Folge wurden zwei CC-Soundfiles von https://freesound.org verwendet.
1. Schweinegrunzen: https://freesound.org/people/felix.blume/sounds/434384/
2. Drummroll: https://freesound.org/people/kiddpark/sounds/457210/