Ich frag mich ja häufig: Was wäre so ein Thema? Wo alle denken, wow, das ist cool, darüber würde ich gerne mehr lesen. Wäre „Kochen“ so ein Thema? Sterben? Masturbation? Einhörner?

Bleiben wir mal bei den Einhörnern. Einhörner sind zurzeit auf jeden Fall für einige Menschen um mich herum interessant. Leute haben Einhornsticker, kaufen Einhorntaschen, tragen Einhorn-T-Shirts. Aber „interessant“ ist wohl kein hinreichendes Kriterium dafür, was Menschen als lesenswert erachten. Zu vage, zu subjektiv, nicht ad hoc qualifizierbar und quantifizierbar. Vielleicht sollte ich zumindest nach Verbindungen zwischen Einhörnern mit anderen interessanten Themen suchen. Einfach um Lesegenusswahrscheinlichkeiten zu maximieren.

Überspringen wir die Kombination „Einhörner“ und „Masturbation“ (okay, ich lasse nachfolgend zwei Zeilen Leerraum für spontane Assoziationsketten und Tagträume zum Thema…)

… und gehen wir direkt zum trendy Wohlfühlthema „Kochen“. Also: Kann man Einhörner kochen? Kulturell interessierte Menschen würden jetzt vielleicht einhaken und mich bitten, parallel zur Frage der Machbarkeit auch die Frage zur Normkonformität des Kochens von Einhörnern zu prüfen, also ob man sie unabhängig von praktischen Erwägungen (Temperatur, Dauer, weitere Zutaten, Beilagen, der richtige Wein etc.) überhaupt kochen darf. Fangen mir mit dem letzten Punkt an. Es gibt meiner Recherche nach genau ein Gebiet auf der Erde, wo das Kochen von Einhörnern verboten ist. In irgendeinem indischen Bundesstaat mit einem sehr langweiligen Namen ist das Kochen von Einhörnern (sie nennen sie dort wörtlich übersetzt „Beulenpferde“) tatsächlich expressis verbis streng untersagt, und zwar aus religiösen Gründen. Braten und dünsten genauso. Was mich aber zu der Schlussfolgerung kommen lässt, dass man Einhörner durchaus kochen kann, denn sonst wäre das explizite Verbot des wie auch immer vonstatten gehenden Erhitzens von Einhörnern kaum notwendig.

Man kann Einhörner also kochen. Aber will man das? Es gäbe zumindest eine Menge Widerstand, wenn ich die Befindlichkeiten in meiner Twitter-Timeline richtig deute. Man quält keine Katzen, sondern findet sie süß. Man hat Mitleid mit der bedauernswerten Situation der Hebammen und der Herero. Und man kocht keine Einhörner. Wenn ich sie aber kochen kann und wohl auch darf, dies aus Rücksicht auf mein Umfeld nun nicht tun will, was genau soll ich dann mit ihnen machen? Sie einfach vergammeln lassen? Ich sehe nicht, wie Berge vor sich hin rottender Einhornkadaver irgendetwas besser machen sollten, außer vielleicht für Krähen und Maden. Irgendetwas sollte man schon tun. Und sie einfach in die Müllverbrennung zu geben, wäre vor dem Hintergrund des Nachhaltigkeitsgedankens auch verwerflich: Ressourcenverschwendung und nicht CO2-neutral.

„Moment!“ werden einige rufen, die Argumentation setzt an der falschen Stelle an. Nämlich da, wo die toten Einhörner bereits angefallen sind. Vorher müsste man doch ansetzten. Prävention ist das Stichwort. Sie dürfen gar nicht erst sterben! Das hört sich zunächst mal sehr vernünftig an, ist aber auch unglaublich dumm. Denn natürlich sterben Einhörner, genau wie Ameisen, Schlagen, Schweine und Affenbrotbäume. Lebewesen sterben irgendwann, biologisch macht das durchaus Sinn. Und wenn es viele davon gibt – und wir lieben Einhörner, deshalb gibt es viele davon – dann sterben auch viele. Es gibt also, da hilft kein Beten und keine Petition der Welt, viele tote Einhörner und damit genau zwei Möglichkeiten: Wir bestatten sie in irgendeiner angemessenen Form, also möglichst würdig und CO2-neutral. Oder wir verwerten sie. Bestatten ist aus meiner Sicht ganz schön problematisch. Wir würden den Einhörnern so doch nur unsere sehr menschliche Vorstellung eines würdigen Umgangs mit den Toten aufzwingen. Hat jemals jemand ein Einhorn sagen hören, dass es verbuddelt werden will? Oder verbrannt? Oder dass es mit einer Rakete ins Weltall geschossen werden will? Nein? Darum wäre ich ja eher für’s Verwerten. Kochen ist schließlich nur eine mögliche Form der Verwertung. Genauso gut könnten wir die Einhörner trocknen und schreddern und zu Dünger verarbeiten. Aus dem Horn könnte man edle Computertastaturen fertigen, zum Schreiben von Poesie und nachhaltiger Businesspläne. Mit Sicherheit ließe sich das auch parallel bewerkstelligen, also Kochen und Schreddern und Poesie, wir reden schließlich von Bergen verstorbener Einhörner.

Kommen wir damit noch mal zur Anfangsfrage zurück. Kann man Einhörner kochen? Ja, offenbar kann man Einhörner prinzipiell kochen und okay, vielleicht ist es auch gar nicht so super-abwegig, genau das zu tun (Wobei Kochen nur eine Alternative in einer Reihe von Verwertungsmöglichkeiten darstellt). Stellt sich aber doch fast zwingend die Anschlussfrage: Wie genau kocht man denn Einhörner? Bei Chefkoch.de gibt es Stand heute acht Einhorn-Rezepte, wobei es sich bei fünf davon um Backrezepte handelt und bei den drei verbleibenden um verschiedene Getränke (Einhorn-Likör, Ollis Einhorn-Cocktail und Einhorn-Latte). Ein Kochrezept ist nicht darunter. Dies ist vor dem Hintergrund der (wie wir jetzt wissen sehr naiven!) gesellschaftlichen Tabuisierung des Themas kaum verwunderlich. Doch es gibt Abhilfe. Wenn man den naheliegenden zweiten Schritt geht und wegen der äußeren Verwandtschaft der Einhörner mit den Pferden nach Pferdekochrezepten sucht, finden sich unter den am besten und am meisten bewerteten Einträgen eine Reihe vielversprechender Rezepte zu den Themen „Rheinischer Sauerbraten“ und „Rouladen“.

Rein klanglich finde ich ja „Rheinischer Einhornsauerbraten“ am schönsten. Wäre das so ein Thema? Wo alle denken, wow, das ist cool, darüber würde ich gerne mehr lesen? Das Thema ist auf jeden Fall sehr wichtig. Es wäre ein sehr konkreter und unter Umständen schmackhafter Beitrag zur Lösung echter Probleme (Einhornkadaverberge! Kätzchen und Hebammenarmseligkeit vergessen!). Und ich hätte sogar schon einen passenden Text in der Schublade.

Themenfindung

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