Samstag, 23. Dezember: Das Doom
Da bin ich.
Mannshoch richtet sich vor Sina die Gestalt mit dem Körper eines Löwen und dem Kopf einer jungen Frau auf. Dann sinkt der Kopf zur Seite und zerbröselt, Stein für Stein, zu feinem, roten Staub.
Kess!
Kess!
Kess!
Sina wacht auf. Es ist acht Uhr morgens. Die Luft im Raum ist warm und stickig, der Rauch von Beccas Zigaretten liegt noch in der Luft. Sina krabbelt aus ihrer Decke und schaut sich um. Der große Gruppentisch steht senkrecht an der Wand, der Boden des Gemeinschaftsraums ist übersät von Decken, Matratzen und schlafenden Mitgliedern der Family. Direkt neben Sina liegt Annika, sie klammert sich tief schlafend an einen selbst gebastelten Pokal, den ihr Hannes und Ovid gestern Nacht überreicht haben.
Selten hat Sina Annika so gelöst gesehen wie bei der Überreichung dieses Pokals, der im Grunde aus Alufolie und einer zerschnittenen Plastikflasche besteht. Es hatte einige Zeit gedauert, bis Annika und sie in Feierstimmung gekommen waren, nachdem sie Betül zurück ins Zimmer begleitet hatten.
Auf Sinas anderer Seite liegt, erschreckend nah, Ovid. War da was, gestern Abend? Sie erinnert sich nicht. Sie haben alle lange gesungen, dann das Werwolf-Spiel gespielt und zum Schluss geredet, bis eine nach dem anderen eingeschlafen war. Vorsichtig steht sie auf, um niemanden zu wecken. Auf der Anrichte sitzt Roswitha mit einer Müslischale in der Hand und nickt Annika zu.
„Ich wünsch dir’n erfolgreichen Tag“, hört sie Roswitha in ihren Kopf.
„Wünsch ich dir auch… Ach so. Darf ich dich noch was fragen?“
„Shoot.“
„Aber keine blöden Sprüche!“
„Nope.“
„Mit Ovid und mir… Vogelscheuche und Bettenmonster…: Hätte das überhaupt eine Zukunft?“
„Was willst’n jetzt hören?“
„Ich, äh…“
„Nee, Sina! Das war meine Antwort: ‚Was willst’n jetzt hören?‘ Weißt du das?“
„Nee.“
„Dann krieg’s raus. Ciao.“
Eigentlich hat Sina nichts für heute geplant. Ihre Eltern kommen erst am Abend, um sie abzuholen. Bis dahin muss sie noch Sachen einpacken, Dreckwäsche vor allem, und eigentlich müsste sie nachmittags noch mal runter nach Krahlheim, um Last-Minute-Geschenke für ihre Eltern zu organisieren. Was schenkt man Eltern zu Weihnachten? Sina hat das noch nie auf die Reihe bekommen. Sie zieht sich ihre Schuhe an, bindet sich ihr Tuch um und schleicht auf Zehenspitzen aus dem Gemeinschaftsraum.
Im Zimmer der Musketiere ist es kalt. Das Fenster war die Nacht über geöffnet und von draußen kommt eisige Luft herein.
„Betül?“
Ihre Freundin ist nirgends zu sehen. Ob sie schon unsichtbar geworden ist?
„Betül?“
Sina schaut zu Kess. Ist sie fertig? Es sieht fast so aus. Man erkennt keinen Unterschied zu früher. Endlich entdeckt sie eine Spur von ihrer Klopfmenschen-Freundin. An Kess Seite klebt ein Post-It-Zettel:
„Es fehlt nur noch ein winzig kleines Stück“, steht da. „Ich bin auf der Suche. A bientôt, Betül“
Es ist eine Abschlussarbeit, denkt Sina. Die will man wohl perfekt machen.
„Betül?“
Keine Regung, keine Antwort.
Sina geht ins Bad und schaut in den Spiegel. Die unsichtbare Stelle am Kiefer ist größer geworden. Sie zieht sich bis hoch zu den Wangenknochen.
„Anstrengende Woche gehabt, was?“
„Beffaná! Guten Morgen. Was machst du hier?“
„Puzzeln. Die ganze Woche puzzle ich vor mich hin… Hast du `ne Zigarette?“
„Ich rauche nicht, Beffaná!“
„Ist eklig, oder? Ich rauche auch nicht. Dee raucht immer heimlich aus ihrem Fenster. Warum macht man das wohl? Ich bin ich eine gestandene Weihnachtshexe und hab immer noch keine Ahnung. Dachte nur gerade: Puzzeln und rauchen, das passt irgendwie.“
„Was puzzelst du gerade?“
„Charlie. Ich versteh’s noch nicht. Ich hab `ne Theorie, aber die muss ich erst noch beweisen.“
„Erzähl mal, vielleicht kann ich dir helfen?“
„Das kannst du bestimmt. Aber hier auf Krahenstein finden wir die Antwort nicht. Hast du heute schon was vor?“
„Muss noch Geschenke für Mama und Papa besorgen.“
„Dann kommt mit. Geschenke ausdenken kann ich ganz gut.“
„Okay. Cool! Ah! Warte kurz, mir ist noch was eingefallen!“
Sina kritzelt Annika eine Nachricht auf einen Zettel und legt sie ihr aufs Bett.
„Sie wollte mir Dienstag irgendwas über Kess erzählen“, erklärt sie Beffaná, „und dann sind wir wegen der ganzen Betül-Geschichte völlig drüber weggekommen. Annika soll nicht nach Hause fahren, ohne es mir zu erzählen. So. Und jetzt puzzeln wir ein bisschen.“
Oben im Turmzimmer treffen Sina und die Weihnachtshexe auf Niklas und, zu Sinas Überraschung, auf Emil. Niklas hat das Fenster geöffnet und sein fliegendes Fahrrad bereits draußen vor dem Fenstersims in Position gebracht.
„Hallo Sina“, sagt der Heinzelmann und seine Hände spielen mit seinem großen Heinzelmännchen-Schlüsselbund herum.
„Hab alles dabei“, sagt er.
„Gut, dann sind wir vollständig“, sagt Beffaná. „Müssen wir nur noch klären, wer mit wem mitfliegt.
Sie landen neben einer ausgedehnten Waldung hinter einer hohen Hecke. Sina hat darauf bestanden, mit Beffaná mitzufliegen. No offense, Niklas, aber was nützt dir ein fliegendes Fahrrad, wenn dich im Notfall niemand in guter, alter Beffaná-Manier retten kann. Für Emil war der Flug eine einzige Sensation und da das Fahrrad längst nicht so schnell ist, wie Beffanás Besen, verlief die Reise eher gemächlich.
„Wo sind wir jetzt?“, fragt Sina, aber dann kann sie sich die Antwort selbst geben. In die Hecke ist ein großen Tor eingelassen, über dem in einem weiten Halbkreis in eisernen Lettern der Name „von Stöckendorf“ steht.
Neben dem Tor steht ein beeindruckend großer, metallischer Briefkasten, in dem sich unter einem Einwurfschlitz für „Liebwitz / von Stöckendorf“ noch ein zweiter befindet, der mit „MTH – Messe- und Touristik-Holding“ beschriftet ist.
„Was genau erhoffst du dir zu finden, Beffaná?“
„Charlie.“, antwortet die Hexe.
Sina späht durch das Tor zu einem großen alten Herrenhaus. Neben ihr fummelt Emil mit seinem Schlüsselbund am Torschloss herum.
„Offen“, sagt er.
„Wieviel weiß du darüber, was Sebastian Dee erzählt hat“, fragt die Hexe.
„Im Groben und Ganzen: Alles“ sagt Sina. „Roswitha war so freundlich, mir eine Zusammenfassung zu geben.“
„Roswitha scheint’s auch wirklich überhaupt nicht eilig zu haben, die Klasse zu verlassen“, murmelt Beffaná. „Das sind Informationen, die zwischen Dee und mir bleiben sollten.“
„Wir hatten fest geplant, Roswitha gestern das Abschlusszeugnis zu überreichen“, sagt Niklas. „A-aber sie haben es an ihrem letzen Tag noch mal richtig versaut. Das ist einfach nicht hinnehmbar!““
„Irgendwann“, sagt Sina, „Muss mich mal jemand einweihen, was bei Roswitha eigentlich los ist…“
Sie hat gesehen, wie Beffaná bei „nicht hinnehmbar“ mit den Augen gerollt hat. Dass die ganze Klasse dank Roswitha und Annika perfekte Mathearbeiten geschrieben hat, scheint für die Hexe ziemlich okay zu sein.
„Du weißt also über die von Stöckendorfs Bescheid, Sina?“
„Ich weiß“, sagt Sina, „dass die von Stöckendorfs selbst hinter dem Erpresserbrief und den Anschlägen stecken. Aber warum Sebastian entführt wurde und wie genau Charlies Rolle in dem Spiel ist, das hab ich nicht verstanden.“
„Das hat keiner von uns, Liebes“. Beffaná winkt die Gruppe durch das Tor und geduckt und im Gänsemarsch laufen sie auf das Herrenhaus zu.
„Warum sind wir nicht direkt vorm Haus gelandet?“, fragt Sina. „Hätte Emil ein Schloss erspart und mir das Laufen.“
Sie sind einen Halbkreis um das Haus gelaufen und stehen nun vor einem niedrigen Tor, das zu einem Nebeneingang des Haus führt.
„Ich sagte ja, ich puzzle noch“, sagt Beffaná. „Es gibt hier eine Barriere. Irgendwas sorgt dafür, das meine Kräfte nicht richtig funktionieren. Vielleicht ist es Charlie, vielleicht etwas anderes. Ich will vorsichtig sein. Jetzt brauchen wir dich wieder, Emil. Bekommst du die Seitentür auf?“
Emil trottet leise fluchend nach vorne.
„Was denkst du, wie wir Jahrhunderte lang unsere Arbeit gemacht haben? Mit Stümperei und Glück?“
Er hat den Satz noch nicht beendet, da ist die Tür auch schon aufgesprungen und sie schauen direkt in eine große, altertümliche Küche, wie sie in dieser Art von Häusern wohl üblich war, denkt Sina.
‚Hier haben früher Dienstboten und Köch*innen für die feinen Herrschaften die Mahlzeiten zubereitet. Vielleicht tun sie‘ immer noch.‘
„Ha!“, ruft Beffaná. „Ich sag’s ja: Auf den Instinkt einer Beffaná Grimm kannst du dich in den allermeisten Fällen verlassen!“
Auf einer der Küchenbänke sitzt Charlie!
„Was machst du hier, Charlie“, ruft Niklas. „Ich wusste gar nicht, dass du hier…“
„Pssssst!“ Charlie hebt einen Zeigefinger an den Mund. Sina hört ihn klar und deutlich in ihrem Kopf.
„Verschwindet! Sofort! Ihr seit in großer Gefahr!“
„Was ist los, Sina?“
„Charlie sagt, wir sind in Gefahr.“
„Schaun wir mal“, sagt Beffaná.
„Wenn sie euch hier findet“, zischt Charlie jetzt für alle hörbar. „Dann gibt es vielleicht Tote!“
„Tote!“ Beffaná lacht auf. „Tote. Pffff. Wir sind hier bei der Weihnachtshexe Beffaná! Not on my watch, kleiner Freund.“
„Das hat SIE mir anders erzählt“, sagt Charlie.
„Was heißt das?“, flüstert Sina. „Wer ist SIE?“
Beffaná geht zu Charlie und setzt sich neben ihn auf die Küchenbank.
„Du meinst Adelind, richtig, Junge?“
Charlie nickt.
That’s… new… Adelind?
„Ihr meint Adelind Liebwitz von Stöckendorf?“, fragt Sina. „Die Mutter von Sebastian? Ist sie, bist du… bist du Sebastians Bruder?“
Charlie lacht auf. Es klingt bitter.
„Adelind heißt nicht Liebwitz von Stöckendorf“, sagt Beffaná. „Sie ist eine geborene von Stöckendorf. Das Liebwitz in Sebastians Namen kommt von seinem Vater, Helmut. Richtig, oder Charlie?“
Charlie nickt.
„Ich verstehe“, sagt Beffaná. „Ich verstehe, ich verstehe, ich verstehe. HA! Heureka! Ich habe es endlich verstanden!“
„Sie hat mir erzählt, dass die Weihnachtshexe über Leichen geht“, flüstert Charlie. „Und dass alle Freaks, alle Monster, alle Wesen, dass alle Freunde einer Weihnachtshexe genauso schlimm sind wie die Hexe selber.“
„Aber Charlie, du gehörst doch selbst dazu!“ ruft Sina. „Du gehörst zu uns!“
„Nein“, sagt Beffaná und streicht Charlie über den Kopf.
„Charlie gehört nur einer einzigen Person“, sagt Niklas. „Wir haben immer geahnt, dass das Charlies doom ist. Wir wussten nur nicht, wem Charlie gehört. Es ist Adelind. Charlie ist nicht Sebastians Bruder, Sina. Charlie ist…“
„ER IST MEINE PUPPE!“
In der Durchgangstür zum Hauptflügel des Hauses steht Sebastians Mutter. Es ist das erste Mal, dass Sina sie reden hört. Bisher war sie immer stumm und im Hintergrund, wenn ihr Mann Helmut sich vor Sina aufspult hat.
„Charlie ist ihre…WAS?“, zischt Sina Niklas zu, der sich schnell zwischen sie, Emil und Adelind geschoben hat.
„Es ist Charlies doom“, flüstert Niklas. „Charlie ist eine Puppe.“
„Geh von von dieser Person weg, Charlie“, befielt Adelind und Charlie steht umgehend von der Küchenbank auf. „Komm zu mir.“ Charlie nimmt Adelinds Hand.
„Lass Charlie aus dem Spiel, Adelind“, sagt Beffaná. „Soweit ich es verstanden habe, geht es hier um mich.“
„K-kann mich mal jemand aufklären?!“, ruft Niklas. „Ich verstehe ü-ber-haupt NIX!“
„Kurz bevor ich dich kennengelernt habe, Niklas“, sagt Beffaná. „Habe ich etwas wirklich Dummes gemacht. Ich war sehr wütend, sehr, SEHR wütend, weil eine alte Freundin von mir gestorben war. Sie hieß Wilhelmine Weber, und ihr gehörte das Hotel zur Sonne. Als ich eines Tages, es war genau an Heiligabend, ins Hotel kam, war Wilhelmine fort und ihr Hotel gehörte einem Konzern namens MTH – Messe und Touristik Holding.“
„Meine Familie hat das Hotel zur Sonne rechtmäßig gekauft!“, ruft Adelind. „Und nachdem diese HEXE es an diesem einen unseligen Tag verlassen hat, war das Hotel mit allen Gästen darin VERSCHWUNDEN!“
„Verschwunden?“
„Die Spinnen haben dafür gesorgt.“, sagt Beffaná. „Sie haben das Hotel damals besetzt. Ich hatte nichts damit zu tun, ich hab sie nur besucht und Geschenke abgeliefert.“
„Du hast es gewusst und es nicht verhindert!“, ätzt Adelind. „Es hat uns ruiniert! Ein ganzes Hotel: WEG! Dreizehn Gäste: WEG! Vertreter, Handelsreisende und Manager. Sie sind nie wieder aufgetaucht!“
„Nicht meine Schuld!“, ruft Beffaná. „Außerdem: Wer sitzt noch Heiligabend mittags alleine in einem Hotel herum? Nicht besonders liebenswert, wenn ihr mich fragt!“
„Es waren deine Abnormitäten, Hexe, die meine Eltern in den Ruin und in den Wahnsinn getrieben haben! Wird sind verklagt worden VON HIER BIS MEPPEN! Wir mussten 14 Hotels verkaufen! Ich war zwölf damals! ZWÖLF!“
„Und dann hast du Charlie bekommen.“
„Dann hat sie mich bekommen!“, murmelt Charlie.
„Die Puppe war das Einzige, woran ich mich festhalten konnte, bis ich Helmut kennengelernt habe. Und ich wusste: Charlie und Helmut werden mir bei meiner Rache seeeeehr nützlich sein!“
„Wo sind Helmut und Sebastian eigentlich“, fragt Beffaná.
„Sie hat sie zur Jagd in den Wald geschickt“, sagt Charlie. „Wir haben gewusst, dass ihr kommt.“
„Charlie ist sehr praktisch, nicht war“ sagt Adelind. „Charlie weiß Dinge. Charlie fühlt Dinge. Mit Charlies Hilfe habe ich herausbekommen, was damals im Hotel zur Sonne geschehen ist. Mit Charlies Hilfe bin ich auf deine Spur gekommen, Hexe, und jetzt weiß ich, dass es eine ganze Welt voller Monster gibt! Und du bist ihre Anführerin!
Sie haben mich sogar in eins dieser Krankenhäuser gesteckt, weil sie dachten, dass ich verrückt bin. Aber ich bin nicht verrückt! Ich brauchte nur Zeit für meine Rache!“
„Nicht verrückt?!“, ruft Sina. „Sie haben ihren eigenen Sohn in der Schule an die Wand geklebt! Das war doch Charlie! Und Charlie hat ihn auch entführt!“
„Wir brauchten Druckmittel gegen diese Freak-Klasse. Und ein Sohn… Was interessiert mich ein Sohn…“
Adelind zuckt mit den Schultern.
„Es heißt ja, Kinder, verändern dein Leben. Hm. Das stimmt nicht. Mein Charlie hat mein Leben verändert. Er kann Dinge. Dieser Sebastian ist genauso gewöhnlich wie sein Vater.“
Sina schaut von Adelind zu ihrer Puppe. Wieso hat Charlie sich mit Sebastian im Panikraum versteckt? Und was genau ist dann passiert? Das ergibt immer noch keinen Sinn.
„Was ist dein Plan, Adelind?“
„Die Sache zu Ende bringen, HEXE! Charlie, bring sie um! Das Mädchen zuerst.“
Charlie reißt die Augen auf. Wie ferngesteuert rennt die Puppe auf Sina zu.
„Es ist falsch und ich will es nicht“, kreischt er in ihrem Kopf. „Aber ich kann es nicht verhindern! Sie ist meine Besitzerin und das ist mein doom!“
Beffaná und Niklas stellen sich zusammen der Puppe in den Weg, doch sie springt über sie hinweg und als Beffaná ihre Hände zu einem Zauberspruch erhebt, zieht Charlie ihr ihren eigenen Hexenbesen mit solcher Wucht über den Schädel, dass der Besen zerbricht..
„Sina“, schreit Charlie in ihrem Kopf. „Ich werde es tun, auch wenn es das letzte ist, was ich will! Verzeih mir bitte!“
Sina sieht, wie die Puppe sich nach einer neuen Waffe umsieht und auf der Ablage nach einem großen Messer greift. Sie geht in Abwehrhaltung.
„Ich hab schon Löcher genug, Charlie, ich halte mehr aus, als du denkst.“
„Stich endlich zu, Puppe!“, kreischt Adelind. „Stich zu! Stich zu!“
Es das erste Mal, dass Sina Charlie wirklich spürt. Diese Welle aus Hass und Abscheu gilt weder Beffaná noch ihr. Sie gilt Adelind.
Das Messer trifft ihren Arm.
‚Du armes Ding!‘, denkt sie, während sie einem weiteren Stich ausweicht. ‚Du hast wirklich keine Wahl. Warum kannst du dich nicht einfach von ihr befreien?’
Sie weicht ein letztes Mal aus, dann stolpert sie nach hinten und fällt auf den kalten Fliesenboden.
‚Wie kannst du dich von deinem doom befreien, Charlie?‘
Die Puppe hebt das Messer und lässt die Klinge niedersausen.
„Nein!“ schreit Adelind, „Nein! Nein, nein, nein!“
Charlie taumelt zu Seite und fällt hin, sein eigenes Messer steckt in seinem Bauch. Charlie lächelt.
„Du Verräter!“,kreischt Adelind und bekommt von hinten eine riesengroße Bratpfanne übergezogen. Stumm fällt sie vornüber.
„Dusselige Kuh“, keucht Emil. „Was für eine dusselige Kuh.“
Sina wird kurz schwarz vor Augen. Sie sieht noch, wie sich Niklas über Charlie beugt. Dann hört und sieht sie gar nichts mehr.